Die Parteihochschule der SED -

ein kritischer Rückblick

 

Leseprobe aus

 

Achim Dippe, Karl Hartmann 

  

Zur Struktur und Arbeitsweise des Lehrstuhls Ökonomik der Industrie 

Die Existenz und die Entwicklung der DDR hingen entscheidend von einer hochentwickelten Industrie, ab. Diese war Voraussetzung für die schrittweise Erhöhung des Lebensniveaus der Menschen, für die Ausrüstung der anderen Wirtschaftszweige, dem Wohnungsbau, für den Export und Import sowie für die Entwicklung der Wissenschaft. Es war eine der faszinierendsten Aufgaben bei der Neugestaltung des Landes nach dem 2. Weltkrieg, denn die Kriegszerstörungen und Reparationen waren groß, die Teilungsproportionen waren zu Lasten der DDR außerordentlich umfangreich und die Abhängigkeit von den Rohstoffen immer dramatisch. Die Gestaltung der Industrie vollzog sich außerdem unter den Bedingungen eines ständigen Verlustes von hochqualifizierten Arbeitern sowie an wissenschaftlich ausgebildeten Kräften. Bedingt durch Embargomaßnahmen, Preisbewegungen auf den internationalen Märkten, Waren- und Leistungsboykotte durch westliche Länder und durch Liefer- und Absatzprobleme im sozialistischen Wirtschaftsraum hatte die Industrie der DDR mehrfach ökonomische Zerreißproben zu bestehen. Für die Industrie der DDR existierte hinsichtlich der strukturellen Entwicklung nur teilweise Vergleich­bares. Die Modelle der westlichen Industriestaaten waren aus politischen, ökonomischen, sozialen und strukturellen Gründen heraus für die DDR nicht übertragbar.  

In der Lehre zur Ökonomik der Industrie stützten wir uns vor allem auf die Darlegungen von Karl Marx im 1. Band „Das Kapital", auf die marxsche Reproduktionstheorie - insbesondere zur intensiv erweiterten Reproduktion. Wir nutzten Erkenntnisse der Natur- und Technikwissen­schaften und schlossen die Verwertung der ~praktischen Erfahrungen fortgeschrittenster Betriebe, Kombinate, Forschungseinrichtungen sowie Genossenschaftsunternehmen ein. Bei der Gestaltung der Industrie war viel theoretisches und praktisches Neuland zu erschließen. Es gab sehr oft keine ähnlichen Erfahrungen und Beispiele. 

In der Lehre versuchten wir mit allen Unterrichtsformen fortgeschrittenste Erfahrungen der Praxis wissenschaftlich zu durchdringen und die Studenten zur konkreten Analyse der gesellschaftlichen Prozesse zu befähigen, mit dem Ziel, anwendbare Wege und Mittel zur Lösung der Probleme anzueignen. Unmögliches möglich zu machen wurde damit oft zur Tugend erhoben.  

Das enorme Tempo der wissenschaftlich-technischen Revolution und die sich ständig verändernde ökonomische Situation der DDR zwangen dazu, immer wieder an der Vervollkommnung der Leitung und Planung~ der Betriebe und Ministerien zu arbeiten. Das Neue ökonomische System der Leitung und Planung, welches in den 70er Jahren im Entstehen begriffen war, wurde jedoch wieder rückgängig gemacht und damit eine große Chance vergeben. In den 80er Jahren rückten die Bildung, Entwicklung und Festigung der Kombinate in den Mittelpunkt der Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution. Sie waren ein wichtiges Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zugleich eine Antwort auf die intensiv verlaufenden Konzentrationsprozesse der Produktion und des Kapitals in den westlichen Industrieländern. Zugleich war jedoch die Generalisierung dieser Kombinatsprozesse zu wenig verbunden mit der wirkungsvolleren Ausnutzung der Möglichkeiten der kleinen und mittleren sozialistischen Industriebetriebe sowie der weiteren Ausge­staltung der halbstaatlichen, privaten und der genossenschaftlichen Unternehmen. 

Bei allen Problemen, die es gab, war es wirklich ein Wunder, dass die Industrie der DDR in historisch kurzer Zeit auf der Basis von Braun­kohle, Salz, etwas Kupfer und viel Sand als eigener Rohstoffdecke in die Spitzengruppe der 15 führenden Industriestaaten der Erde auf­steigen konnte.

 Alle Erfolge, Widersprüche und auch Niederlagen in diesem wichtigen Bereich der gesellschaftlichen Entwicklung besagen, dass die gesammelten Erfahrungen nicht nur für die Betrachtung der Vergangenheit von Bedeutung sind, sondern uns auch wichtige Hinweise für eine sozial­ökonomische Gestaltung der künftigen industriellen Entwicklung geben können, die für die Mehrzahl der Arbeitnehmer von Vorteil sein könnte.